Public Relations und stimmige Argumente




Public Relations und stimmige Argumente

Beitragvon Sandor Oetzmann » Fr 24. Okt 2014, 18:08

Hi Leutz,

Wie wir bereits beim letzten Mal festgestellt haben, gibt es in unseren Bekanntenkreisen einige, die sich selbst als Atheisten bezeichnen, aber es blödsinnig finden sich deswegen zu organisieren. Mich persönlich hat auch nicht mein Atheisten-Dasein zur Stiftung berufen, sondern meine Befürwortung von Aufklärung und Humanismus. Warum sollte man sich auch darüber definieren, was man nicht ist?! Ich denke es würde helfen überzeugendere Argumente zu entwickeln um unsere Ideale Außenstehenden besser zu vermitteln. Dabei sollte auch ein bisschen Schlagfertigkeit im Spiel sein. Mein Vorschlag wäre daher einige Fragestellungen, die euch so entgegnet werden, hier zu notieren und jeweils passende Antworten zu finden. Hört sich erstmal banal an, aber der Sinn und Zweck der Sache ist es einfach, wie jeder Interessenverband (was die gbs ja ohne Zweifel auch ist), mehr Menschen von der notwendigen Arbeit der Stiftung zu überzeugen und bestenfalls zum Mitmachen zu bewegen. Darüber hinaus möchte ich in diesem Thread gelegentlich Maßnahmen besprechen, die zur Verbesserung unserer Außenwirkung beitragen könnten. Damit meine ich keine bestimmten Aktionen oder Projekte, da diese einen eigenen Thread haben. Aber ich erinnere nur an den "Moses", welcher in der öffentlichen Wahrnehmung mehr den Piraten zugeschrieben wurde statt der gbs. Hier könnte man etwas nachbessern.

Vielen Dank erstmal soweit...

...hier schon mal ein paar Beispiele:

Hat organisierter Atheismus nicht genauso religiöse Züge wie die instutionalisierte Kirche?
Atheismus ist keine Religion! Ganz im Gegenteil: Es ist die Abwesenheit eines Glaubens an das Übernatürliche oder einen Gott. Darüber hinaus ist Atheismus kein Selbstzweck in der gbs, sondern vielmehr die Konsequenz aus einer aufgeklärten und humanistischen Grundhaltung heraus. Das heißt wir organisieren uns nicht weil wir in erster Linie Atheisten sind, sondern weil wir für die Ideale des Humanismus eintreten. Wer diese Ideale ernst nimmt, wird vermutlich eher zum Atheismus tendieren als zur Religion.

Versucht die gbs nicht genauso zu "missionieren" wie das die Kirchen tun?
Wir versuchen zu überzeugen, wir missionieren nicht! Wir sagen auch nicht: du musst glauben oder du wirst dran glauben! Selbst gegenüber dem eingefleischtesten Atheisten (das Wort "radikal" würde ich hier vermeiden) muss man nicht um Leib und Leben fürchten wenn man seine Überzeugungen nicht teilt. Wir überzeugen auch nicht durch eine beängstigende Drohkulisse von Himmel und Hölle, oder von einem strafenden, homophoben, frauenfeindlichen, eifersüchtigen Gott. Wir überzeugen vielmehr durch universelle Werte wie allgemeine Menschen- und Bürgerrechte, Demokratie, Pluralismus, Gleichberechtigung von Männern und Frauen sowie von Hetero- und Homosexuellen, Kunst-, Presse- und Meinungsfreiheit, und ja, auch Religionsfreiheit, etc.
Sandor Oetzmann
 
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Re: Public Relations und stimmige Argumente

Beitragvon Roman » Mo 27. Okt 2014, 18:53

Gutes und wichtiges Thema!

Im Grunde begegnen mir derartige Fragen fast alltäglich in einer der FB-Gruppen wie "Diskussion zwischen Muslimen und Atheisten".

*Atheisten glauben einem Wissenschaftler (analog: Geistlicher, Prediger etc.), sie glauben die Welt sei aus ZUFALL entstanden und sie glauben, sie stammen von Affen ab (obwohl es die ja noch gibt). Für Atheisten ist die Welt sinnlos, sie haben keine Moral und tendieren dazu alle schwul zu sein*

So in etwa sind da die tiefsten Töne.

> Hat organisierter Atheismus nicht genauso religiöse Züge wie die instutionalisierte Kirche?
Hier wirds schwieriger. In den wenigsten Fällen ist Atheismus (zentral) organisiert. Als GBS sind wir da eher eine Ausnahme.
Was ist "Religion"?
Wiki bietet an:
es gibt einen substanzialistischen und einen funktionalistisches Religionsbegriff
Der Erste ist im Grunde das, was wir allgemeinhin unter Religion verstehen: Glaube an etwas Übersinnliches
[Glaube und Religion sind ein Unterschied, aber ist hierbei grad zweitrangig]
Der zweite Begriff aber beschreibt den sozialen Rahmen (womit wir auch ein Stück weit in die soziologische Erklärung kommen).
Hierbei ist auch ein Fußball-Fanklub oder ein Häkelverein mit einer "Religion" gleichzusetzen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Religionsdefinition

Rein vom Begriff "Religion" kommt man "rück-binden" .. was aber auch je nach Sichtweise sehr unterschiedlich zu sehen ist.

Soziologisch ist Religion etwas, was innerhalb der Glaubensgruppe Sinn und Sicherheitsgefühl stiftet.
Es geht also um ein "Ideal" ( = Sinn). In dem man diesen bewusst folgt, bildet man Selbstidentifikation. Diese bildet psychologisch ein Sicherheitsbedürfnis (ich kenne mich). Wird das Ideal auf sozialer Ebene generiert, funktioniert es ähnlich, wobei Sinn dann Gruppenorientierung und Sicherheit = Anerkennung in der Gruppe ist. Dinge, die zu den menschlichen Grundbedürfnissen gehören.

Soweit anders ist das bei uns nicht, je nachdem wie man Religion definieren will.

Du schreibst "wir organisieren uns nicht weil wir in erster Linie Atheisten sind, sondern weil wir für die Ideale des Humanismus eintreten" .... das gilt auch für Christen. Sie machen das nicht der Kirche wegen, sondern aus dem Ideal der Menschenliebe heraus (zumindest innerhalb ihrer etwas verzerrten Sichtweise) ... und selbst Muslime (so komisch das auch immer klingt), sehen den Islam als Frieden(sbringer) an (wie auch immer). Aber bei Muslimen und Christen spielt auch das Ideal eine größere Rolle.

Problem ist, das sie das Ideal dogmatisieren und theologisch (von Menschen) festsetzen lassen (Kanon). Dadurch wird das eigentlich Ideal durch die Institution mißbraucht. Deswegen renn viele in Freikirchen und sehen sich im Islam als rechtsschulenlos.

zum Missionieren: mhm ... wir wollen unsere Überzeugungen auch an den Mann briungen. Mission beinhalt rein vom Wort her aber durchaus eine "höhere" Mission (also ein Auftrag im Namen des Glaubens). Das einem Gläubigen, der meint wir missionieren, klar zu machen, funktioniert jedoch kaum.

Auf sozialer Ebene sind wir nicht so anders, auch wir sind eine soziale Gruppe, die einen bestimmten Gruppensinn folgt.
Der Unterschied (und darauf achten zwar Humanisten, aber Atheisten nicht) ist, das wir uns nicht selbstidentifizieren durch Abgrenzung.
Insbesondere monotheistische Gruppe grenzen sich von anderen stark ab (Alleinwahrheitsanspruch), was sich auf sozialer Eben als Speisevorschrift oder Kleidungsvorschrift äußern kann (was zeigt (un selbst bewusst macht) "wie sind anders"). Jan Assmann hatte da viel zu geschrieben:
http://www.perlentaucher.de/essay/monot ... ewalt.html

... gutes Thema! :D
Roman
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Re: Public Relations und stimmige Argumente

Beitragvon Sandor Oetzmann » Di 28. Okt 2014, 13:38

Soziologisch ist Religion etwas, was innerhalb der Glaubensgruppe Sinn und Sicherheitsgefühl stiftet.
Es geht also um ein "Ideal" ( = Sinn). In dem man diesen bewusst folgt, bildet man Selbstidentifikation. Diese bildet psychologisch ein Sicherheitsbedürfnis (ich kenne mich). Wird das Ideal auf sozialer Ebene generiert, funktioniert es ähnlich, wobei Sinn dann Gruppenorientierung und Sicherheit = Anerkennung in der Gruppe ist. Dinge, die zu den menschlichen Grundbedürfnissen gehören.

(Selbst)identifikation ja, Sinn eher nicht. Der "Sinn" ist sowohl philosophisch als auch soziologisch ein schwieriger Begriff. Die Philosophie hat den Sinnbegriff weitgehend abgelegt. Zu den bisher letzten Vertretern gehörte z.B. Camus. Der "Sinn" ist mittlerweile ein rein esoterisch, spiritueller, religiöser Gegenstand. Im Verständnis der Organisationssoziologie sind Kirchen, Verbände und Vereine natürlich alles eine Soße, das ist klar. Man muss sich hiervon als gbs auch nicht abgrenzen. Nur dem Fußballverein, dem Kegelclub oder der Häkelrunde fehlt eins: MACHT! Wenn diese ins Spiel kommt, wirds erst richtig lustig. Die Verbindung von Macht (vgl. Weber) und Körperschaft/Organisation unterscheidet Interessenverbände und -vereine von den Kirchen ganz erheblich. Dazu hab ich noch ein paar Sachen in meinen Aufzeichnungen gefunden, die ich gern zur Verfügung stelle.

Gebe dir insofern Recht, dass man sich als organisierter Humanist auch nicht in jeder Einzelheit von überzeugten Glaubensanhängern unterscheidet. Das kann man natürlich auf einer intellektuellen Ebene genauestens diskutieren, wie wir das hier tun. Ich vermute nur, dass dem nicht jeder folgen kann. Daher besteht mein Anliegen eher darin, einfache und leicht verständliche Argumente zu formulieren. Denn so blöde es klingt: Ein bisschen mehr "Volkstümlichkeit" würde unserer Sache gut stehen. Der "Moses" ist ein gutes Beispiel dafür. Plakativ, Provokant und in einfacher Sprache. So passt das!
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Re: Public Relations und stimmige Argumente

Beitragvon Roman » Mi 29. Okt 2014, 14:19

Sandor ... Versteh mich da nicht falsch, im Grunde verwende ich ja in der Diskussion mit Gläubigen selbe Argumente wie du sie hier geschrieben hast. Nur, intern, habe ich halt gewisse, genannte Kritikpunkt daran.
"Sinn" ist natürlich ein willkürlicher Inhalt und im Sinne einer organisierten, religiösen Gruppe im Grunde das innere Kontrollinstrument der Institution.
Aber eben auch etwas, was der Mensch sucht, in welcher Form auch immer.

Für mich stellt sich oft auch die Frage, ob wir bei Dingen die wir tun, mehr die GBS oder mehr den Humanismus an sich betonen.
Als "Gruppe" wird man m.E. schnelle in eine Ecke gestellt.

Humanismus ist etwas, was eigentlich jeder Mensch zu besitzen meint. Also es ist nicht wie das Christentum, oder der Buddhismus - sondern ausdrücklich alle Menschen betreffend. Ich will dabei jetzt die GBS nicht schmälern, überlege nur, ob der "Sinn" :mrgreen: nicht eher "Humanismus" als "GBS" heißt.
Als Gruppe grenzt man sich automatisch ab und ein, oder gegen etwas. Humanismus jedoch klingt erstmal nach der Menschheit als Gesamtgruppe.
Was vlt. werbewirksamer ist.
Roman
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